Fünf Learnings aus der Corona-Krise

By Doris Hofmeister

Fünf Gewissheiten haben sich in den Unternehmen nach mehr als einem Jahr Pandemie in Luft aufgelöst oder auf überraschende Weise bestätigt. Das ist das Fazit der zweiten virtuellen Diskussionsrunde* über die Büro- und Arbeitswelt von morgen, die Ende März auf Einladung des Wiener Büros der internationalen Executive Search & Leadership Advisory-Beratung Mercuri Urval stattfand. Expertinnen und Experten aus Industrie, Gesundheitswesen und akademischen Umfeld sprachen dabei über die Lehren, die sie bisher aus der Corona-Pandemie gezogen haben.

Learning 1: Die Produktivität steigt, aber mit gefährlichen Nebenwirkungen

Die für Führungskräfte vielleicht überraschendste Erfahrung ist, dass die Produktivität ihrer Mitarbeiter auch ohne permanente Aufsicht nicht nachgelassen hat, sondern teilweise sogar gestiegen ist. Viele Mitarbeiter haben sich auch in der Krise loyal gegenüber ihrem Unternehmen verhalten und im Homeoffice eher mehr als weniger gearbeitet. Die Belastung aus der neuen Situation, etwa die Verdichtung von Terminen durch Videokonferenzen, wird aber sehr unterschiedlich wahrgenommen oder bewältigt. Das wirkt sich auch auf die Leistung der einzelnen Führungskräfte und Mitarbeiter aus. Der Unterschied zwischen High Performern, die in der Krise weiter zu Hochform aufgelaufen sind, und Low Performern, die schlechter mit der neuen Situation zurechtkommen, ist noch deutlicher geworden. Die Corona-Pandemie hat hier wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und die unterschiedlichen Potentiale aufgezeigt.

Learning 2: Führungskräfte als Ermöglicher

Die Geschwindigkeit, der Umfang und die lange Dauer der Umstellung auf Homeoffice haben auch die Führungskräfte vor teils völlig neue Herausforderungen gestellt. Führung wird weiterhin benötigt, aber sie hat neue Schwerpunkte erhalten, für die Manager neue Kompetenzen benötigen. Während der Krise und in der künftigen Arbeitswelt kommt es vor allem auf Fähigkeiten wie Empathie, Kommunikation und Organisation an, um Teams, Bereiche oder ganze Unternehmen erfolgreich zu führen. Empathie und gute Kommunikation sind unabdingbar, um die Mitarbeiter zu erreichen, zu motivieren und an das Unternehmen zu binden. Organisatorisch und emotional nehmen Führungskräfte immer mehr die Rolle des Ermöglichers ein: Sie sorgen für die erforderliche Vernetzung der in cross-funktionalen Teams organisierten Mitarbeiter, organisieren die benötigten Ressourcen und achten auf die weitere Qualifizierung der Mitarbeiter. Wo bislang Fachwissen die wichtigste Voraussetzung für die Chefposition und das Führen von Mitarbeitern war, sind nun ein neues Mindset, zusätzliche Kompetenzen und eine andere Herangehensweise an Führung notwendig. Die Fähigkeiten, auch über die Distanz in vertrauensvoller Verbindung mit den Mitarbeitern zu bleiben und den Austausch innerhalb der Belegschaft zu fördern, zeichnen eine gute Führungskraft aus.

Learning 3: Eine Unternehmenskultur, die Länderunterschiede respektiert

Unternehmen, die Büros in verschiedenen Ländern unterhalten, haben Unterschiede hinsichtlich der Auswirkungen und der Bewältigung der Pandemie erlebt. Das lag zum einen an den sehr unterschiedlichen Einschränkungen und Phasen des Lockdowns, etwa im Vergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zum anderen war Führung auf Distanz bereits vor der Pandemie in Deutschlands Großunternehmen ein Thema, während es in mittelständisch geprägten Unternehmen eine geringere Rolle spielte. Ein dritter Aspekt sind die selbst im deutschsprachigen Raum vorhandenen Mentalitätsunterschiede, die meist noch weiter zunehmen, wenn sprachliche und kulturelle Hürden hinzukommen. Die schnelle Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice wurde in österreichischen und Schweizer Unternehmen, genau wie im deutschen Mittelstand, eher als Schock wahrgenommen. Eine Unternehmenskultur, bei der die Führungskräfte im Sinne ihrer neuen Rolle als Ermöglicher nah an ihren Mitarbeitern sind, kann hier vieles auffangen. Sie muss allerdings gezielt entwickelt und vom Topmanagement vorgelebt werden, wenn sie sich im ganzen Unternehmen etablieren soll. Wer bei der Unternehmenskultur länder- und unternehmensspezifische Aspekte ignoriert, der läuft Gefahr, dass die andauernde Krise den Abstand zwischen Führungskräften und Mitarbeitern vergrößert.

Learning 4: Das Büro erfährt eine ganz neue Wertschätzung

Der Lobgesang auf das Homeoffice, die rasche Umstellung in zahlreichen Unternehmen sowie die Anpassungsfähigkeit vieler Mitarbeiter sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zukunft nicht darin besteht, dass künftig alle zuhause arbeiten. Wo vor der Krise der Wunsch nach mehr Flexibilität ungehört verhallte, wird es nach ihrer Überwindung die umgekehrte Bewegung geben: Die Mitarbeiter werden nicht ganz auf das Homeoffice verzichten wollen, aber sie haben auch die Vorteile der gemeinsamen Arbeit an einem Ort wieder schätzen gelernt. Manche räumen ganz offen und erstaunt zugleich ein, dass sie ihr Büro vermissen. Die Zukunft gehört dem Hybrid-Modell, das heißt der Arbeit im Büro und im Homeoffice. Bereits vor der Pandemie wurde viel über neue Bürokonzepte nachgedacht und manches neu gestaltet: Weg vom Großraumbüro und hin zu Flächen, an denen entweder konzentriert allein oder eben gemeinsam im Team gearbeitet werden kann. Dass Unternehmen künftig sehr viel Raum sparen können, davon ist trotz vermehrter Arbeit im Homeoffice nicht auszugehen. Was durch Arbeitsplatzteilung an Flächen gespart werden kann, wird für gemeinsame Räume für Kommunikation, Teamarbeit und Wissensaustausch innerhalb des Unternehmens benötigt.

Learning 5: Karriere ist auch im Homeoffice durchstarten

Wie wichtig der soziale Aspekt der Arbeit ist, merkt man daran, wie viele Beschäftigte den informellen Austausch an der Kaffeemaschine vermissen. Dort wird vielleicht nicht produktiv gearbeitet, aber dafür etwas anderes aufgebaut, was aus gewöhnlichen Teams erst richtig gute macht: Vertrauen und persönliche Beziehungen. Bis zur Corona-Krise galt das Homeoffice deshalb auch als Karrierekiller. Doch die Präsenzkultur hat sich überholt und gerade unter den Belastungen der Pandemie hat sich wie unter einem Brennglas gezeigt, wer über sich hinauswächst, wenn es darauf ankommt. Neben den bereits genannten Kompetenzen müssen sich Führungskräfte künftig vermehrt auch im virtuellen Raum vernetzen, um sichtbar zu sein und Beziehungen aufbauen zu können. Um im Unternehmen auch bei eingeschränkter Präsenz voranzukommen, bleiben Commitment und Leistung die wichtigsten Aspekte, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Richtig ist aber auch, dass gerade die weniger extrovertierten Menschen Gefahr laufen, im Homeoffice von der Bildfläche zu verschwinden. Mit der richtigen Leistung und einer Mischung aus Präsenz im Büro und Führung aus dem Homeoffice kann die Karriere auch in Corona-Zeiten vorankommen.


* An der virtuellen Diskussionsrunde zum Thema „Wie sieht die Büro- und Arbeitswelt von morgen aus? Learnings und Perspektiven“, die Ende März von Mercuri Urval Österreich in Zusammenarbeit mit Next Office organisiert wurde, beteiligten sich: Barbara Stöttinger, Dekanin an der WU Executive Academy, Beatrix Mitterweissacher, HR Mobility Managerin und Business Partnerin, Christian Jayet, Managing Director DACH bei Alcon sowie Stefan Krejca, Geschäftsführer von STILL. Doris Hofmeister, Partner & Director bei Mercuri Urval sowie Martin Luptacik, Partner bei Next Office moderierten die Diskussionsrunde.


  • Führung & Management